kunstvollaltern und lebenskunstvollsterben

unterstützt Höhen und Tiefen kunstvollen Alterns mit Fantasie, Fotografie, Poesie, Clownerie

Liebste Dysthymia

meines Erachtens besteht der Sinn des Lebens darin, mit viel Mühen herauszufinden, dass es ein Evolutionsbausteinchen mit übermäßigem Bedürfnis nach Wichtigkeit ist.
Dieser Gedanke führt mich weiter zu der Frage, wie es wohl wäre, wenn ich mein Leben, diese winzige Regung zwischen zwei Punkten, nicht so ernst nähme. Wozu ich, kombiniert mit diesbezüglichem Selbstvorwurf, durchaus neige.

Genau das ist mein Ringen. Es wäre nur ein Lippenbekenntnis, wenn ich nicht Fußangeln darin erkennen würde.
In einem Bild sähe das so aus :

Jetzt, mit 66 sitze ich begeistert im Straßenkaffee des Lebens und lasse neugierig und gepaart mit Phantasie die Welt an mir vorbei spazieren. Ich habe gar keine Lust mehr einzugreifen, etwas besser zu wissen oder jemandem über die Straße zu helfen, der gar nicht hinüber will.

Dann gehe ich nach Hause und spinne aus dem Erlebten Geschichten und Gedichte und teile sie mit einigen wenigen Freunden, die mit allen Konsequenzen bereit sind, mich wirklich zu sehen.
Den Einwand, das sei nichts Erlebtes, sondern nur Konsum und Partizipation höre ich wohl, wirft in mir aber die Frage auf : Wo endet aktives Tun und wann beginnt das Schmarotzen. Ich werde mich an anderer Stelle damit beschäftigen.

So bin ich viel allein, nicht einsam und sehr zufrieden, weil dieses langsame Leben mir ermöglicht, in den Tiefen der Zeit Schätze zu finden, die ich sonst nie entdeckt hätte.

Pass bloß auf, im Nu bist du eine einsame Alte und schon vergessen, bevor du gestorben bist, flüstert Narziss ,der letzte Stubenbrummer im Herbst und Sigmund, mein Therapiefrosch wettert:
Ein Rückfall in die Depression ist vorprogrammiert, bei Ihren Genen. Kaufen Sie sich einen Hund, der bringt Sie auf andere Gedanken und vermittelt frische Kontakte.
Die Familie ist einhellig der Meinung, dass Oma spinnt und hoffentlich wird sie nicht zu früh dement, dass ist eine Last, die sie nicht wuppen können, so wie sie ihr Leben erleben.

Aber bloß nicht dran rühren, das Leben ist ohnehin schon schwer genug.

Du siehst, liebe Dysthymia, meine kluge Prinzessin, ich bin zufrieden mit meinem Leben, trotz Familie,trotz Narziss und Sigismund und sogar ohne Hund,..... oder vielleicht sogar wegen?
Egal, da kann man nichts mehr machen. Ich bin unverbesserlich und altersstarr.
Vielleicht geht es ja auch ohne Vorbild?



Jetzt perlen Stürme im Wasserglas neben den Zähnen






Hoffnungsvoll lasse ich mein Haar hinunter, es rollt im Knoten davon





Die Borste am Kinn, links unter der Mundfalte wächst einfach, sie schämt sich nicht






Früher lachten meine Augen Tränen, heute tränt mein Schoß, wenn die Augen lachen